Jahresempfang der Evangelischen Kirche im Hochtaunus
„Du sollst nicht töten!“ sagt die Bibel sehr deutlich. Damit sollte klar sein: Ein Christ kann nicht Soldat sein und Kirche und Armee sind unvereinbar. Dass dies nicht ganz so klar ist, erläuterte der Militärbischof für Deutschland, Dr. Sigurd Rink auf dem Jahresempfang der Evangelischen Kirche in Wehrheim. „Aus dem Urtext der Bibel könnte das fünfte Gebot auch als „Du sollst nicht morden!“ übersetzt werden“, sagte Rink vor ungefähr 160 Gästen. „Morden“ und „töten“ bedeute einen Unterschied, mit dem sich bereits Luther auseinandergesetzt habe, so Rink. Zwar fordere die Bergpredigt Gewaltfreiheit und erwarte von Christen, dass sie Gewalt leiden. „Allerdings bin ich als Christ nicht allein. Ich lebe in einer Familie, Dorfgemeinschaft oder in anderen sozialen Bezügen“ erläuterte Rink. „Und aus diesem Grund habe ich eine Schutzverantwortung, die es gebietet, andere vor Gewalt zu schützen – notfalls auch mit Gewalt.“ Dieses Prinzip sei auch die ethische Grundlage der Gewaltausübung der UN-Friedenstruppentruppen.Rink hat seit seiner Ernennung zum Militärbischof selber alle 16 Auslandseinsätze der Bundeswehr besucht. „Bei diesen Besuchen werde ich auch mit der Frage konfrontiert, wie sich ein Soldat oder eine Soldatin mit christlicher Glaubensüberzeugung zwischen den Extremen christliche Gewaltfreiheit und Dienst an der Waffe richtig verhalten kann.“ Hier sei es wichtig, dass die 180 Militärseelsorger die Soldaten bei Sinnfragen unterstützten. „Viele Soldatinnen und Soldaten stellen bei Einsätzen in Krisenregionen die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Einsatzes“, berichtete Rink. „Unsere Pfarrer sind in den Krisenregionen in den Feldlagern die einzigen Vertrauenspersonen mit absoluter Schweigepflicht. Die Militärangehörigen können ihnen Dinge anvertrauen, über die sie mit keinem anderen Menschen hier sprechen können“. Um diesen wichtigen Dienst zu verrichten, sind Pfarrer bis zu einem halben Jahr im Ausland und von ihrer Familie getrennt. Oftmals können sie das Feldlager nicht verlassen, da die Situation außerhalb zu lebensbedrohlich ist.
Auch Luther habe zu Gewissenfrage in Folge des 30-jährigen Krieges Überlegungen angestellt, so Rink: Wenn das Zeugnis der heiligen Schrift und das eigene Gewissen in bestimmten Situationen Gewaltausübung vertretbar erscheinen lassen, ist Gewalt gerechtfertigt. Pauschal sei dies Frage aber nicht zu beantworten, nur situativ. Dieses Vorgehen deckt sich mit dem „Konzept der inneren Führung“, welches ein grundlegendes Handlungsprinzip der Bundeswehr, seit ihrer Gründung 1955, darstellt: Jeder Befehl muss vor dem Gewissen des Befehlsempfängers bestehen können. Es darf, nach den Gräueltaten des dritten Reichs, keinen „Kadavergehorsam“ mehr geben.